Statement der GfM

Statement des Vorstands und der AG Gender/Queer Studies der Gesellschaft für Medienwissenschaft gegen die Umwidmung des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 7. Oktober 2022

Der Vorstand der Gesellschaft für Medienwissenschaft und die Arbeitsgruppe Gender/Queer Studies und Medienwissenschaft reagieren mit diesem Statement auf die Umwidmung des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Lehrstuhl für Digital Humanities. Wir möchten uns gegen die Praxis aussprechen, zwei Forschungsschwerpunkte, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern voneinander profitieren können, derart gegeneinander auszuspielen und dabei zur Deinstitutionalisierung des Fachs Gender Studies beizutragen.

Eine Vielzahl wissenschaftlicher Fachgebiete setzen das Konzept Gender als Analysekategorie ein, um die Komplexität und Differenziertheit gesellschaftlichen Wandels erkennbar zu machen. Der Veränderbarkeit von Geschlecht und Geschlechterkonzepten historisch nachgehen zu können, ist hierbei eine Leistung der Geschlechtergeschichte: Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass ein Wissen um die historischen Formen von Geschlecht, nicht-binäre Geschlechtsidentitäten und nicht-heteronormative Sexualitäten eingeschlossen, überhaupt entstehen konnte. Damit kommt die Geschlechtergeschichte einer wichtigen Aufgabe der Wissenschaft nach, in deren Zentrum die Produktion von vielfältigem und kritischem Wissen steht. Hierzu gehört das differenzierte Wissen um und von Geschlecht, welches gegenwärtig im Kontext der Anerkennung von inter*, nicht-binären und transgeschlechtlichen Identitäten eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion einnimmt. Die Geschlechtergeschichte und -forschung richtet sich gegen Ungleichheit, Diskriminierung und gewaltvolle Durchsetzung von Naturalisierungen, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten u.a. medizinische Praxis war.

Mit der Entscheidung, den Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte umzuwidmen, wird es an der Universität Jena keine einzige Professur mit Gender-Nomination mehr geben. Das ist nicht zuletzt deshalb kaum nachvollziehbar, als der Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte an der Universität Jena in Forschung und Lehre ausgesprochen profiliert ist, was sich an der umfänglichen Drittmitteleinwerbung ablesen lässt. Wir halten die Umwidmung daher für eine kurzsichtige und wissenschaftspolitisch nicht tragbare Entscheidung, die überdies eine Anschlussfähigkeit an gegenwärtige antidemokratische Tendenzen aufweist. Nicht zuletzt entsteht der Eindruck einer Hochschulkultur, die sich gegen die Verstetigung kritischen Denkens wendet.

Wir fordern daher dazu auf, eine Lösung zu finden, in der die Etablierung des Lehrstuhls Digital Humanities nicht auf Kosten der Geschlechtergeschichte geschieht. Erforderlich ist somit eine Strategie, die dezidiert wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Zwecke im Blick behält – denn auch das Desiderat verbesserter Forschungsbedingungen für die Digitalisierung im Kontext der Humanities wird sich als angewiesen auf die Erkenntnisse und kritische Perspektive der Gender Studies erweisen.

Der Vorstand der Gesellschaft für Medienwissenschaft
Die AG Gender/Queer der Gesellschaft für Medienwissenschaft