Offener Brief des AKHFG

Offener Brief des Arbeitskreises Historische Frauen- und Geschlechtergeschichte gegen die Streichung der Professur für Geschlechtergeschichte vom 4. August 2022

Sehr geehrter Herr Präsident Professor Dr. Rosenthal,

der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat im Juli beschlossen, die vorhandene Professur für Geschlechtergeschichte im Jahre 2025 in eine Professur für Digital Humanities umzuwidmen. So wichtig dieses neue Feld der digitalen Geisteswissenschaften ohne Zweifel ist, so überrascht sind wir als Fachverband für historische Frauen- und Geschlechterforschung, dass der Fakultätsrat ein etabliertes und wissenschaftlich zukunftsweisendes Fach wie die Geschlechtergeschichte im Gegenzug abschaffen will. Aus unserer Sicht würden die Philosophische Fakultät und die Friedrich-Schiller-Universität damit ein wissenschaftlich und politisch falsches Signal setzen. Die Professur für Geschlechtergeschichte deckt in wichtigen Studiengängen der Fakultät und der Universität relevante Studieninhalte ab und ist in der aktuellen Besetzung durch Prof. Dr. Gisela Mettele ein drittmittelstarkes Fach.

Angesichts der Beliebtheit des Faches, die sich u.a. auch in der Zahl der Studierenden der Geschichtswissenschaft zeigt, die sich für eine Abschlussarbeit in diesem Bereich entscheiden, sowie des zentralen Beitrages der Professur zur internationalen Profilierung des Historischen Instituts, erscheint uns die Entscheidung des Fakultätsrates unverständlich und rückschrittlich. Nicht zuletzt für die Lehrer*innenbildung stehen die Inhalte der Professur an zentraler Stelle,
ist doch das Wissen über den „Wandel der Geschlechterverhältnisse“ in epochenübergreifender Perspektive als Teil der Ausbildung im Fach Geschichte seitens der Kultusministerkonferenz festgelegt.

Alle Forschungsförderinstitutionen legen inzwischen großen Wert auf das Vorhandensein von nachhaltigen gendersensiblen Forschungsstrukturen. So hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Notwendigkeit zur Entwicklung, Umsetzung und Verankerung von strukturellen Maßnahmen zur systematischen Berücksichtigung von geschlechtsbezogenen Aspekten im gesamten Forschungsprozess betont und fördert verstärkt Maßnahmen, diese systematisch und dauerhaft zu integrieren („Geschlechteraspekte im Blick“, Bekanntmachung des BMBF vom 21.7.2021). Dass die Friedrich-Schiller-Universität Jena hier einen umgekehrten Weg gehen will und sogar bestehende Strukturen der Geschlechterforschung auflöst, ist schwer zu verstehen. Warum soll die Professur also abgeschafft werden? Ist das damit verbundene Signal, auch in den politischen Raum, beabsichtigt? Wir hoffen, dass andere Lösungen für die Finanzierung der Professur für Digital Humanities gefunden werden und erwarten zugleich, dass die Philosophische Fakultät und die Friedrich-Schiller-Universität Jena die Streichung der Professur für Geschlechtergeschichte nicht umsetzen.
Wir werden unsere dringende Bitte an Sie, sehr geehrter Herr Präsident Prof. Dr. Rosenthal, auch öffentlich machen, indem wir diesen Brief ab dem 15. August 2022 auf unserer homepage veröffentlichen und ihn über unseren monatlichen Newsletter schicken werden.


Mit freundlichen Grüßen,
im Namen des Vorstandes
Kirsten Heinsohn